Warum Vegan?


Als Kind war ich in Bezug auf Essen das, was man in Norddeutschland gerne als "krüsch" bezeichnet. Das bedeutet, dass ich nur sehr wenige ausgewählte Nahrungsmittel auf meinem Teller geduldet habe. Gemüse und Kartoffeln sind grundsätzlich durch das Raster gefallen. Obst auch nur in Maßen. Stattdessen habe ich für mein Leben gerne Nudeln, Reis, Pizza und vor allem Fleisch gegessen. In meiner Familie wurde diese Auswahl nicht besonders kritisch in Frage gestellt, man war halt froh, wenn "Das Kind überhaupt etwas isst". Und wenn ich mir aus dem Eintopf nur die Hackbällchen geklaubt habe, dann wurde ich mit einem Augenzwinkern auch noch liebevoll ermuntert. Ich habe daher auch selbst nicht groß darüber nachgedacht, dass ich ein totes Lebewesen verspeise. Ich wusste nicht, wo es herkommt und wie es verarbeitet wurde. Letztendlich war es mir auch egal, denn es schmeckte und das ist nunmal der Kreislauf des Lebens, oder?

Ich weiß noch sehr genau, wann ich diesen Gedanken zum ersten Mal bewusst in Frage gestellt habe. Ich las damals das Buch "Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?". In diesem Buch gab es ein Kapitel in dem Precht das Thema "Lebewesen essen" philosophisch betrachtet hat. Er hat dabei ein Szenario entworfen, in dem eine außerirdische Lebensform die Erde besiedelt. Eine Lebensform, die uns Menschen intellektuell und technisch deutlich überlegen ist, die jedoch eine andere Form der Kommunikation pflegen. Und diese Außerirdischen würden beginnen, uns Menschen so zu behandeln, wie wir es mit Tieren tun. Sie würden unsere Kinder essen, weil die besonders zart wären und sie würden unsere Haltung aus Effizienzgründen verändern. Ohne Rücksicht auf Familien und Freunde. Da sie unsere Kommunikation nicht entschlüsseln konnten, stellte sich für die Außerirdischen nicht die Frage, ob ihr Handeln moralisch vertretbar sei. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Prechts Kapitel war für mich die völlig neue Information, dass Fleisch für uns Menschen überhaupt nicht lebensnotwendig ist. Wenn wir Fleisch essen, dann tun wir es also nicht, weil wir es tun müssen, sondern nur, weil wir es wollen. Das alles hat mich total verwirrt, doch ich war zu naiv, egoistisch und rückgratlos um meine eigenen Konsequenzen daraus zu ziehen.

In meinem Umfeld gab es damals keine Vegetarier und erst recht keinen Veganer. Diese Menschen waren ein Mysterium und sie wurden ausgelacht und als "Öko's" bezeichnet (und das war ganz bestimmt kein Kompliment). Das Essen von Fleisch wurde hingegen, so merkwürdig das klingt, als "cool" angesehen. Gerade als Frau hat man von den Männern tatsächlich ein anerkenndes Nicken oder gar Schulterklopfen bekommen, wenn man in einer Grillrunde ein großes Steak auf den Rost gelegt hat. Das klingt für mich im Nachhinein so schräg, aber damals war es für mich tatsächlich wichtig. Und ich brauchte diese Anerkennung.

Je älter ich wurde, desto mehr habe ich begonnen mein Handeln zu reflektieren. Vielleicht ist es das, was im Allgemeinen als "Erwachsen werden" bezeichnet wird. Ich habe mir damit ziemlich viel Zeit gelassen. Einmal im Jahr habe ich dann begonnen in der Fastenzeit den Verzicht zu üben. Ich wollte wissen, worauf ich im Leben durch Disziplin auch verzichten könnte. Ich wollte aufhören, abhängig zu sein von Süßigkeiten, Kaffee, Alkohol und Facebook. Mein letztes Fastenjahr war 2013 und es hatte das Motto: Verzicht auf Fleisch und Fisch. Überraschenderweise fiel mir dieser Verzicht viel leichter, als ich je vermutet hätte. Und parallel begann ich damit, den Fleischkonsum zu hinterfragen. Der PETA-Facebook kanal hat mir dazu Videos geliefert von denen ich mir im Nachhinein gewünscht hätte, sie niemals gesehen zu haben. Aber es hinterließ seine Spuren: Ich habe am Ostersonntag nicht wie sonst üblich den Verzicht beendet. Ich bin dabei geblieben.

Mein Umfeld hat diesen Wandel unterschiedlich aufgenommen. Meine Familie hat nach anfänglicher Skepsis und Witzen erst langsam ernsthaft wahrgenommen, dass mir das Thema wichtig ist. Später wurde ich unterstützt und mit neuen fleischlosen Rezepten bekocht. Mein Freund stand meiner neuen "Gesinnung" zunächst ablehnend gegenüber. Zum Einen fürchtete er sicherlich, dadurch auf einem gesellschaftlichen Abstellgleis ausgelagert zu werden. Denn Essen verbindet und sozialisiert: Wie sollte sich das vereinbaren lassen? Die Zeit hat uns gelehrt, dass wir uns sehr gut damit arrangieren können. Ich sage wir, weil mein Freund mittlerweile selbst kein Fleisch mehr isst. Natürlich mussten wir uns darauf einstellen, vor einer Einladung nach dem Essen zu erkundigen. Wenn es keine vegetarische Alternative gibt (was wirklich selten vorkommt), dann bringt man halt eine mit. Oder man isst vorher. Da ich das Glück habe, dass die Kantine auf der Arbeit täglich ein vegetarisches Gericht anbietet, bin ich auch unter der Woche nicht verhungert. Ein paar Kilos habe ich dennoch verloren. Denen trauere ich aber nicht nach.

Mit viel Schnitt- und Frischkäse, Eiern und Joghurt meisterte ich meinen Alltag hervorragend. Gewissermaßen lebte ich in einem Selbstbetrug der mein Gewissen erleicherte. Dann las ich "Tiere Essen" und ich wusste, dass ich Veganer werden musste. Also irgendwann, wenn es an der Zeit war. Aus moralischen Gründen und weil mein hoher Käsekonsum wahnsinnig ungesund war. Ich las also viel über Ernährungswissenschaften: Was muss ich beachten? Was kann ich dann noch essen?
Wenn es irgendwie ging, ernährte ich mich vegan, aber meistens "ging es halt nicht". Daran merkt ihr: Der Mensch ist ein Meister des Selbstbetrugs. Damit war vor ein paar Monaten von einem auf den anderen Tag Schluss. Es gab keinen Anlass, D-Day oder Plan. Ich habe es einfach gemacht. Ich bin Abends von der Arbeit nach Hause gekommen und habe mir gesagt: Ab jetzt bin ich Veganerin und es hat geklappt. Natürlich muss ich mehr planen und beim Essen gehen den Kellner etwas nerven. Und das skurrile dabei: Es ist mir auch noch peinlich. Geht euch das auch so? Ich möchte den Leuten keine Umstände bereiten und ich möchte nicht als die "verbissene Veganerin" dastehen. Daher suche ich noch meinen guten und gesunden Mittelweg. Eine nachhaltige Lebensweise, die auch über die Ernährung hinausgeht, die auch mit meinem persönlichen Umfeld vereinbar ist.

Das ist mein Ziel, darüber handelt dieser Blog.

2 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben!
    Sehr ausführlich und vor allem aus deiner Sicht sehr gut nachzuvollziehen!

    Nimm es nicht schwer wenn wir nicht Veganer genervt sind oder spitzen geben (wir sind auch nicht Perfekt und sehr unsicher über unsere Ernäjrung wir stellen durch die Veganer auch alles in Frage und wenn man unsicher ist dann stichelt man halt).Wenn man mit einem Veganer spricht uns selbst keiner ist fühlt man sich als wäre man aus der Steinzeit als wenn heute alle vegan wären und als wenn man etwas Verpasst hätte, letztendlich muss jeder für sch selbst entscheiden wie er Leben möchte aber auch ich als nicht Veganer bin der meinung es würde jedem gut tun mal eine zeit auf etwas zu Fasten z.B. in der Fastenzeit um zu sehen wie abhänig man von etwas ist!
    Denke immer daran: Nein es Interessiert mich nicht das du das NIE könntest!
    Es ist dein Leben und das muss und soll dir vor niemandem Unangenehm sein!

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    1. Ganz lieb von dir. Ja, sehe ich auch so - jeder Mensch muss für sich selbst entscheiden, was er essen möchte und was nicht. Aber ich freue mich trotzdem sehr, wenn jeder überzeugte "Fleischfresser" zumindest hin und wieder bewusst darauf verzichtet ;)
      Danke für deine lieben Worte!

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